Aktienmärkte im November positiv

Die Aktienmärkte setzten im November ihre am 12.10.2022 begonnene Aufwärtsbewegung fort. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung des Weltaktienindex mit seinen über 1.500 Positionen aus 23 Industrieländern von Januar bis 29. November 2022 aus Sicht eines Euro-Besitzers.

Grafik: Weltaktienindex, hier dargestellt durch einen ETF von iShares, seit Jahresbeginn 2022. Bewertung in Euro. Letzter Datenpunkt 29.11.2022.

Quelle: infront

in die vorstehende Darstellung fließt die Veränderung des Wechselkurses zwischen USD und Euro mit ein. Vom Jahresbeginn bis Ende September wertete der USD gegen den Euro um über 17 % auf.  Seit dem 27.9. jedoch holte der Euro wieder auf, so dass die Höherbewertung des USD gegen den Euro per 29.11. nur noch 9 % betrug.

Grafik: Bewertung des USD gegen den Euro seit Jahresbeginn 2022

Quelle: infront

Währungskurse geben uns Hinweise auf die Geldströme

Diese extremen Veränderungen der Wechselkurse geben uns deutliche Hinweise auf die Geldströme.

Sobald die internationalen Investoren die Überzeugung gewannen, dass die Fed die Zinsen früher und schneller erhöhen würde als die EZB, begannen sie, ihre Investitionen in den USD-Raum zu verlagern. Der USD war gefragt – der Euro wurde verkauft. Diese Entwicklung beschleunigte sich nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Die Folge: eine starke Aufwertung des USD gegen den Euro.

Ende September kehrte sich diese Entwicklung um. Die extrem gesunkenen Kurse an den europäischen Aktienmärkten locken internationale Investoren an. Die Investoren rechnen außerdem damit, dass weitere Zinserhöhungen der Fed nicht so stark ausfallen wie noch vor einem Monat erwartet. Damit erscheinen Investitionen im Euro-Raum vor dem Hintergrund der niedrigen Bewertungen an den Aktienmärkten und mit Erwartung von Zinserhöhungen der EZB wieder attraktiv. Kapital fließt zurück in den Euro-Raum. Die Folge: Seit dem 27.9. etwa 7 % Aufwertung des Euro gegen den USD.

Europäische Aktienmärkte erscheinen wieder attraktiv

Während der vergangenen Monate fütterten uns die Medien Tag für Tag mit hundert Schreckensmeldungen über die besorgniserregenden Entwicklungen in Deutschland und Europa. Der Rückzug der Investoren aus den europäischen Aktienmärkten führte seit Jahresbeginn bis zum 25. September zu einem Kursrückgang, der deutlich stärker ausfiel als in anderen Weltregionen.

  • Minus 37 % im MDax
  • Minus 24 % im Dax
  • Minus 22 % im EuroStoxx50

und ein ähnlich heftiger Rückgang in den anderen europäischen Börsen.

Diese Entwicklung hat sich Ende September gedreht. Beachten Sie im folgenden Chart den rechten Rand der Darstellung: Seit Ende September erlebten alle europäischen Aktienmärkte einen starken Aufschwung, viel stärker als der Weltaktienindex (braune dicke Linie).

Quelle: infront

Den stärksten Rückgang in diesem Vergleich erlebte der MDax (dünne graue Linie)

Euro und Aktienkurse im November aufwärts

Im November erlebten die Investoren im Euroraum zwei positive Effekte: der Euro wertete gegen den USD auf und gleichzeitig stiegen die Bewertungen an den europäischen Börsen.

Für die nächsten Monate gilt unverändert: wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Aktienkurse haben die Maßnahmen der Notenbanken. Je stärker die Zinserhöhungen ausfallen und je mehr Liquidität die Notenbanken durch Anleihe-Verkäufe aus dem Markt nehmen, desto mehr geht die Kaufbereitschaft der Aktien-Investoren zurück – und umgekehrt. Und genau auf diesen Baustellen zeichnet sich eine Entspannung ab:

  • Vorigen Monat rechneten die Marktteilnehmer noch damit, dass die Fed die Leitzinsen auf über 5 % erhöhen würde. Jetzt sieht man den Höchstpunkt mehrheitlich bei 5 %. Der Hauptgrund für diese neue Einschätzung sind die Daten über die Inflationsrate in den USA. Der Höchstpunkt scheint überschritten. Die Inflationsrate geht zurück.
  • Vorigen Monat herrschte in Europa, vor allem in Deutschland, nahezu Panikstimmung in Zusammenhang mit der Energieversorgung über den Winter. Jetzt reden wir mehr davon, dass die Speicher voll sind, der Gasverbrauch zurückgegangen ist und dass alternative Bezugsquellen, insbesondere die Lieferung von LNG über neue Terminals zur Regasifizierung von Flüssiggas, in Kürze in Betrieb gehen werden.

Die veränderten Erwartungen der Investoren zeichnen sich deutlich an den Kursentwicklungen ab. Werfen Sie noch einmal einen Blick auf die obige Grafik. Das Geld strömt zurück nach Europa. Der Euro wertet auf und die Aktienkurse steigen.

Kurserholung wird keine Einbahnstraße

Die Erholung der Kurse wird keine Einbahnstraße. Nach dem starken Anstieg seit dem 27.9. wird vermutlich – wie die Börsianer sagen – eine „technische Konsolidierung“ folgen. Ein Teil des Anstiegs, der zu einem „über-gekauften“ Markt geführt hat, könnte wieder verloren gehen.

Warnung vor möglicher Rezession

Die positive Entwicklung der letzten Monate sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Zinserhöhungen mit einer gewissen Verzögerung negativ auf die Wirtschaft auswirken können. Capital Economics (CE) warnt in seinem „Global Economics Outlook“ vom 23.11.22 wie folgt:

„Die jüngsten monatlichen Daten aus den fortgeschrittenen Volkswirtschaften übertreffen tendenziell die düsteren Erwartungen der Analysten. Dies ist zum Teil auf eine Entspannung der Angebotsengpässe zurückzuführen, die kurzfristig eine weitere Unterstützung für Produktion und Ausgaben bieten könnte. Diese Widerstandsfähigkeit spiegelt jedoch wahrscheinlich auch eine Verzögerung wider, bevor sich höhere Zinsen auf die Wirtschaft übertragen und die Unternehmen gezwungen sind, Arbeitsplätze abzubauen. Während sich die Risiken für unsere kurzfristigen Prognosen also nach oben verlagert haben, erwarten wir im nächsten Jahr immer noch weit verbreitete Rezessionen.“

Weiter weist CE darauf hin, dass die Produktion in den meisten entwickelten Märkten „trotz der Erwartung eines unvermeidlichen Rückgangs und im Gegensatz zu den Konjunkturumfragen“ steigt. Die Risiken bestehen jedoch weiter:

  • Höhere Zinsen führen zu verringerter Nachfrage
  • Die Nachfrage nach (finanzierten) Immobilien wird stark zurückgehen, solange die Zinsen hoch sind
  • Kreditvergaberichtlinien der Banken werden verschärft

CO kommt abschließend zum Ergebnis, dass es in den USA „eine flache Rezession“ und in der Eurozone und in Großbritannien „eine tiefere Rezession“ geben wird.

Dies bedeutet nicht zwingend, dass die Aktienkurse sofort wieder nach unten abrauschen. In den Aktienmärkten werden die Erwartungen gehandelt. Und diese sind für die mittlere Zukunft positiv. Auch Capital Economics erwartet bis Ende 2024 wieder höhere Kurse als derzeit.

Inflationstreiber gehen zurück

Im letzten Kapitalmarktausblick betrachteten wir den Einfluss von verschiedenen Warengruppen auf die Inflation. Einer der wichtigsten Faktoren für Deutschland und Europa ist nach wie vor der Preis für Energie, insbesondere für Gas. Energie wird künftig in ganz Europa mehr als doppelt so teuer sein wie in früheren Jahren. Die Preise der letzten Monate, verursacht durch die extreme Nachfrage zur schnellen Befüllung unserer Gasspeicher (und dies ohne die Lieferungen aus Russland) sind jedoch Vergangenheit.

Heute beleuchten wir eine weitere Position, die in den vergangenen Monaten als Inflationstreiber gewirkt hat.

Frachtkosten fast wieder zurück auf früherem Niveau

Der Transport eines Containers von Asien in die USA kostete im zweiten Halbjahr 2021 zehnmal so viel wie in den Jahren zuvor. Der Transport von Asien nach Europa kostete acht mal soviel wie vorher. Diese extreme Frachtkosten-Steigerung hat die Preissteigerung von Gütern, die wir aus Asien beziehen, mit befeuert. Per November dieses Jahres sind diese Preissteigerungen jedoch weitgehend abgebaut (siehe schwarze Säulen in der folgenden Grafik).

Quelle: Capital Economics, Global Economics Update vom 24.11.22

Die folgend Grafik zeigt die Entwicklung der Frachtkosten-Indizes für die verschiedenen Containerrouten im Vergleich: In Japan (hellblaue Linie) und in Korea (hellgraue Linie) gab es nur geringe Erhöhungen. Der Transport nach Europa (blaue Linie, ganz oben) dagegen erlebe eine extreme Preiserhöhung, die in den letzten beiden Monaten weitgehend wieder abgebaut wurde.

Quelle: Capital Economics, Global Economics Update vom 24.11.22

Capital Economics schätzt, dass alleine der Rückgang der Transportkosten die InInflationsrate um ca. 0,5 % senkt.

Importpreise von Vorprodukten gehen wieder zurück

Die Wirkung der „importierten Inflation“ (verursacht durch Steigerungen der Importpreise von Produkten) ging in den letzten Monaten ebenfalls zurück. Von Mitte 2021 bis Mitte 2022 lagen die Importpreise um bis über 20 % höher als Ende 2020. Jedoch gingen mittlerweile fast alle Komponenten, die die Importpreise nach oben getrieben haben, wieder zurück.

  • Die Frachtkosten („Shipping costs“) sind deutlich gefallen
  • Die durch den Mangel an Vorprodukten verursachte Preissteigerung hat sich weitgehend aufgelöst
  • Geblieben ist die Preissteigerungen bei  Rohstoffen inklusive Energie

Quelle: Capital Economics, Global Economics Update vom 24.11.2022

Investment im Musterportfolio bleibt bei 50 %

Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen und auf die weiteren Erwartungen könnte man in Erwartung einer weiteren Entspannung auf der Preisfront erwarten,

  • dass die Inflationsraten sowohl in den USA als auch in der Eurozone ihren Höhepunkt überschritten haben und damit wieder zurückgehen
  • dass die Notenbanken bei einer sich zurückbildenden Preissteigerung die Zinserhöhungen nicht so konsequent weiterführen wie noch vor einem Monat erwartet
  • dass die Stimmung bei den Investoren sich bessert und wieder mehr Kauflaune entsteht als in den letzten Monaten

Meine persönliche Einschätzung folgt dieser Erwartung. Ich persönlich bin der Ansicht, dass der Tiefpunkt der Aktienkurse hinter uns liegt. Es wird weiterhin Schwankungen geben, die wesentlich von der Einschätzung der weiteren Inflationsentwicklung und den daraus resultierenden Entscheidungen der Notenbanken verursacht werden. Die Panik der letzten Monate war jedoch übertrieben. Die Aktienkurse sind unter den wahren Wert der Unternehmen gesunken. Die Erholung der Aktienkurse in den europäischen Märkten seit Ende September unterstreicht, dass viele weitere Investoren der gleichen Ansicht sind.

Die großen Analysehäuser, deren Mitarbeiter Daten und Einschätzungen aus vielen Märkten dieser Welt sammeln und auswerten, rechnen jedoch mit einer sich abkühlenden Wirtschaft sowohl in den USA als auch in der Eurozone.

CE sieht die Aktienmärkte bis Mitte 2023 weiter gefährdet

Capital Economics (CE) unterstreicht in seinem „DM Markets Chart Book“ vom 25.11.2022 seine Einschätzung, dass die Aktienmärkte bis Mitte 2023 weiter zurückgehen werden. Die Welt wird in eine (milde) Rezession fallen. Das globale Wachstum wird enttäuschen. Die Gewinne der Unternehmen werden zurückgehen.

Eine nachhaltige Erholung der Aktienmärkte erwartet CE erst in der zweiten Jahreshälfte 2023, wenn die Fed wieder Zinssenkungen in Aussicht stellt. Die EZB wird nach Ansicht von CE die Zinsen zwar nicht so hoch anheben wie die Fed, dafür aber erst in 2024 wieder über Zinssenkungen nachdenken können.

  • Den S&P 500 sieht CE bis Ende 2024 bei 4.200 Punkten.
  • Den DAX sieht CE bis Ende 2024 bei 16.000 Punkten.

Auf dem Weg dorthin erwartetr CE jedoch noch einen Rückgang unter den gegenwärtigen Stand.

DWS erwartet auch 2023 schon gute Aktienchancen

Die DWS schätzt die Aktienmärkte gemäß dem jüngsten Quarterly Cio View Call etwas positiver ein. Eine leichte Rezession sowohl in den USA als auch in der Eurzone steht auch hier auf der Liste der Erwartungen, desgleichen ein deutlicher Rückgang der Inflation in 2023. Die Leitzinsen sieht die DWS bis Ende 2023 auf 5 % für die USA udn auf 3 % für die Eurozone. Jedoch erwartet die DWS auch schon in 2023 eine Erholung der Aktienkurse. Per Ende 2023 lautet die Prognose:

  • S&P 500  auf 4.100
  • Dax auf 15.000
  • Eurostoxx 50 auf 4.000

Das Musterportfolio bleibt mit 50 % investiert

Das als Ideenträger  bereits zum Januar 2014 aufgelegte Musterportfolio bleibt wie seit Mai 2022 unverändert mit einer Aktienquote von 50 % investiert. Die weiteren 50 % sind in sehr kurzfristigen deutschen Staatsanleihen geparkt, die keine Wertschwankungen produzieren, weder nach unten noch nach oben. Damit verzichten wir natürlich mit 50 % des Depotvolumens auf mögliche Chancen, nehmen jedoch mit dieser Position auch nicht an den Rückgängen teil.

Zum Jahreswechsel werden wir etwas mehr wissen. Hält der Trend der letzten zwei Monate an? Dann war das Musterportfolio mit 50 % dabei. Bestätigen sich die Bedenken von CE, die auf ein Ende des Anstiegs hindeuten mit einem folgenden Kursrückgang? Dann war das Musterportfolio mit (nur) 50 % dabei.

Anleihen werden ab Mitte 2023 wieder chancenreich

Als langjähriger Leser dieses Blogs kennen Sie meine wiederholten Hinweise:

  1. Ein Investment in Anleihen ist sinnlos, wenn damit kein Zinsertrag erzielt wird.
  2. Ein Investment in Anleihen wird mit Sicherheit zu einem Kursverlust führen, wenn das allgemeine Zinsniveau steigt.

Im Musterportfolio sind seit Jahren keine Anleihen allokiert. Das kann sich aber ab etwa Mitte 2023 ändern.

Wenn die Notenbanken wieder planen, die Leitzinsen wieder zurückzunehmen, wird auch der Zinssatz für Staats- und Unternehmensanleihen mit längeren Laufzeiten zurückgehen. Und dann gilt das oben Gesagte mit umgekehrten Vorzeichen:

  1. Ein Investment in Anleihen ist sinnvoll, wenn damit ein guter Zinsertrag erzielt wird.
  2. Ein Investment in Anleihen wird mit Sicherheit zu einem Kursgewinn führen, wenn das allgemeine Zinsniveau fällt.

Dies gilt für Staatsanleihen, noch mehr für Unternehmensanleihen, am meisten jedoch für Anleihen im Hochzinsmarkt. Ein sich verbesserndes wirtschaftliches Umfeld, wie es (Stand heute) bis Ende 2023 erwartet wird, sollte die Spreads (die Zinsdifferenz zwischen Anleihen mit Best-Rating und den Anleihen von Unternehmen minderer Bonität) zurückgehen lassen. Damit addieren sich zwei Treiber für eien Kursgewinn:

  1. Der Rückgang des allgemeinen Zinsneiveaus
  2. Die Reduzierung der Zinsaufschläge für Anleihen minderer Bonität

Wir werden uns sicher noch tiefer mit diesen Investmentchancen befassen. Noch nicht heute, aber bis Mitte 2023 auf jeden Fall.

Die genaue Zusammensetzung des Musterportfolios 3  finden Sie ebenfalls im Blog unter der Überschrift:

„LVL70 -Ergebnisse der Musterportfolios bis 29.11. und Allokation ab Dezember 2022“

Walter Feil