Wie die Krise die Weltwirtschaft verändert

Während der Covid-19-Krise wurde die Weltwirtschaft schnell und nachhaltig verändert. Wir müssen die Veränderungen erkennen und unsere Anlage-Entscheidungen anpassen.

Einfluss der Politik hat zugenommen

Innerhalb weniger Monate hat sich die Rolle der Politik verändert. Nie zuvor wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten in Friedenszeiten so kurzfristig und so massiv von Entscheidungen der Regierungen beeinflusst.

Fazit:
Die Aktienkurse reagieren schnell und stark auf neue Entscheidungen. Verordnung eines neuen „LockDown“: Aktienkurse fallen. Lockerung der Beschränkungen: Aktienkurse steigen. Diese (zusätzliche) Volatilität wird anhalten, bis die Pandemie überwunden ist und das Wirtschaftsleben sich wieder frei entfalten kann. Wir müssen künftig sehr genau darauf achten, welche Entscheidungen die politische Führung vorbereitet.

Notenbankpolitik wurde zum entscheidenden Faktor

Die großen Notenbanken haben im Krisenjahr 2020 extrem viel Liquidität in die Märkte gepumpt. Dies erfolgte im Wesentlichen durch Ankauf von Anleihen: Die FED, die EZB und die BoJ (Zentralbankensysteme der USA, der Eurozone und Japan) haben damit ihre Bilanzsummen schnell und massiv erhöht. Auch zahlreiche andere Notenbanken versorgten ihre regionalen Märkte mit viel Liquidität.

Quelle: wellenreiter

In gleichem Umfang wie die Erhöhung der Bilanzsummen der Notenbanken stieg die verfügbare Liquidität: Staaten, deren Anleihen (meist indirekt) von den Notenbanken gekauft wurden, finanzieren damit ihre Defizite einschließlich der Unterstützungsprogramme. Unternehmen, deren Anleihen gekauft wurden, finanzieren damit ihre Kosten, aber auch Aktienrückkäufe. Investoren finanzieren damit den Kauf von Aktien und Immobilien.

Fazit:
Sehr viel Liquidität im Markt führte schon immer zu steigenden Preisen für Aktien, Immobilien und anderen Sachwerten. Dies wird sich fortsetzen, solange die Notenbanken die Liquiditätsversorgung wie bisher fortsetzen. Wenn die Liquidität jedoch irgendwann einmal wieder reduziert wird, wird der Anstieg von Aktien- und Immobilienpreisen gebremst. Überzogene Preise werden zurückgehen. Wir müssen die Maßnahmen der Notenbanken künftig noch mehr beachten als bisher.

Vermögensanlagen in „Geld“ liefern keine Erträge mehr

Die Notenbanken haben auch die Rahmenbedingungen für Vermögensanlagen in „Geld“ (Kontengeld, Anleihen, aber auch Aufbau von Ansprüchen an konventionelle Lebens- und Rentenversicherungen, Pensionskassen, …) verändert. Vermögensanlagen in „Geld“ und „Anleihen“ liefern keine Erträge mehr. Darüber hinaus arbeiten die Zentralbanken mit erhöhter Intensität daran, die Inflationsrate auf über zwei Prozent zu bringen, was die Kaufkraft von „Geld“ weiter aushöhlen wird.

Fazit:
Wir müssen umdenken. Einen risikofreien Zinsertrag gibt es nicht mehr. Auch Anleihen mit scheinbar hohem Zinsertrag wie zum Beispiel High-Yield-Anleihen bieten keinen risikofreien Zinsertrag, sondern einen Basiszins nahe Null plus eine Prämie für das in Kauf genommenen Ausfallrisiko. Damit unterscheidet sich diese Art von Anleihen stark von dem, was wir viele Jahre lang im Volksmund als „sichere Anleihen“ bezeichnet haben.

Asien gewinnt an Bedeutung

Das schon 2005 von China begonnene Projekt Neue Seidenstraße (seit 2013 mehr unter One Belt – One Road bekannt) verlor in der Krise etwas an Tempo, wird jedoch mit unveränderter Zielstellung weitergeführt. China will (und wird!) in Asien, Eurasien, Europa und Afrika mehr wirtschaftlichen und politischen Einfluss gewinnen. Das im November 2020 unterzeichnete RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) – Handelsabkommen wird schrittweise die Handelsbeziehungen von 15 asiatischen Ländern mit 2,2 Milliarden Menschen verbessern.

siehe auch: Asien auf dem Weg zur führenden Wirtschaftsregion

Das Wirtschaftswachstum in Asien ist nach wie vor größer als in anderen Regionen. Die schnelle Überwindung der Pandemie in China, Korea und anderen asiatischen Staaten hat die Unterschiede im Wirtschaftswachstum weiter vergrößert. Bis Ende 2021 erwarten die Analysten der Fondsgesellschaft Fidelity in China ein BIP-Niveau von mehr als sieben Prozent über Vorkrisen-Niveau. Das BIP in den USA, in der Eurozone und in Japan erwarten die Analysten von Fidelity per Ende 2021 jedoch immer noch unterhalb des Vorkrisen-Niveaus.

Quelle: Fidelity. Erwartet mit 60 % Wahrscheinlichkeit das Basis-Szenario.

Fazit:
Für eine langfristiges Investment in die Aktienmärkte sollten wir den Anteil in der Region Asien erhöhen. 

Handelsbeschränkungen kehren die Globalisierung um

Während der Amtsperiode von Donald Trump hat China die Erfahrung gemacht, dass es klug ist, sich von Zulieferungen aus den USA und anderen westlichen Ländern unabhängig zu machen. Diese Erfahrung führte im neuen Fünf-Jahres-Plan, der die Ziele der chinesischen Wirtschaftspolitik definiert, zu klaren Prioritäten: China will seine Abhängigkeiten von ausländischen Lieferungen so schnell wie möglich abbauen und hat die Budgets für Forschung und Entwicklung deutlich erhöht. Der Produktion hochwertiger Technologie im eigenen Land hat enorm an Wichtigkeit gewonnen. Handelsbeschränkungen – gleichgültig aus welchem Grund – werden grenzüberschreitende Lieferketten reduzieren und den Warenaustausch im globalen Handel beeinträchtigen.

Fazit:
Ein Trend zur De-Globalisierung könnte preistreibend wirken. Wir müssen uns auf eine steigende Inflationsrate einstellen.

Unternehmen fallen in die Insolvenz

Die staatlich verordneten Beschränkungen des Wirtschaftslebens führten und führen weiterhin zu Umsatzausfällen, die Unternehmen in die Insolvenz treiben. Nicht alle Unternehmen erhalten Unterstützungen. Viele sind nach gängiger Regelung bereits überschuldet, müssen derzeit jedoch aufgrund von Sonderregelungen (noch) keine Insolvenz anmelden. Mit dem Auslaufen der Sonderregelungen werden jedoch zahlreiche Unternehmen ihren Betrieb einstellen müssen. Deren Produktion wird ausfallen, Arbeitsplätze werden verlorengehen, Kreditgeber werden Ausfälle verkraften müssen.

Kapitalkräftige Unternehmen werden die Produktionsmittel und die Arbeitnehmer teilweise übernehmen. Viele Arbeitnehmer werden in anderen, jetzt wachstumsstarken Branchen eine neue Heimat finden. Der Veränderungsprozess wird jedoch zu Lieferausfällen, zu Einkommenseinbußen und zu Problemen bei den Kreditgebern führen. Dies sind nicht nur Banken, sondern auch Private-Equity- und Risikokapitalfirmen, Hedgefonds und auch Versicherungsunternehmen, vor allem in den USA.

Fazit:
Die Manager von aktiv verwalteten Investmentfonds können in dieser Phase zeigen, ob und wie sie mit einer handverlesenen Auswahl von Einzeltiteln zu einem besseren Ergebnis kommen als passive ETFs, die jeweils einen Index mit unveränderter Zusammenstellung abbilden. Anleger sollten deswegen beide Welten nutzen und sinnvoll kombinieren.

Unterstützungsprogramme fördern die wirtschaftliche Erholung

Die EU hat bereits ein gigantisches Unterstützungsprogramm verabschiedet. Auch in den USA und in zahlreichen weiteren Ländern sollen staatliche Programme die wirtschaftliche Erholung fördern. Damit ergänzen die Staaten mit ihren Fiskalprogrammen die Geldpolitik der Notenbanken.

Die Programme zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung sind teilweise auf bestimmte Ziele (z.B. die Bekämpfung des Klimawandels) fokussiert. Dies wird dazu führen, dass einige Branchen besonders gute Wachstumsaussichten haben.

Fazit:
Anleger müssen mehr als in den vorausgegangenen Jahren darauf achten, welche Branchen in dieser Zeit der schnellen Veränderungen besondere Wachstums-Chancen haben und dies bei ihren Investments berücksichtigen.

Verbraucher verändern ihr Konsumverhalten

Schon seit vielen Jahren nutzen wir als Verbraucher die Möglichkeiten des Online-Handels. Während der Pandemie, als wir keine Möglichkeit mehr hatten, uns im stationären Einzelhandel umzusehen und dort einzukaufen, hat sich der Anteil der online gekauften Waren noch schneller als bisher erhöht. Dieser Trend wird sich fortsetzen: Anbieter, die ihr Sortiment online präsentieren, werden gewinnen. Der stationäre Einzelhandel wird weitere Umsatzanteile verlieren. In Zeiten von Ausgangssperren haben viele begonnen, auch Lebensmittel online einzukaufen, bis hin zur Bestellung von fertig zubereiteten Mahlzeiten zur sofortigen Lieferung an die Haustüre.

Fazit:
Als Anleger müssen wir unterscheiden: welche Trends werden weiter zulegen, auch nach Rückkehr zur Normalität? Welche Trends sind eher ein kurzfristiger Hype, der wieder abflacht, sobald wir uns wieder frei bewegen dürfen?

Arbeit von zuhause

Schon vor Ausbruch der Pandemie arbeiteten fast vierzig Prozent aller Selbständigen ohne Beschäftigte von zuhause, aber weniger als zehn Prozent der abhängig Beschäftigten. Nach Ausbruch der Pandemie erhöhte sich der Anteil der Home-Office-Mitarbeiter explosionsartig. Zwischenzeitlich haben sich Millionen von Arbeitnehmern rings um den Globus arrangiert und sich daran gewöhnt: Arbeiten von zuhause funktioniert. Viele werden diese Art der Zusammenarbeit fortsetzen, häufig im Wechsel mit Anwesenheitszeiten in ihrem Unternehmen. Dieser Trend verändert den Bedarf:

  • Mehr Platz, bevorzugt einen abgeschlossenen Raum, in der Wohnung oder im Haus. Der Flächenbedarf in Wohnung oder Haus nimmt zu. Baumärkte profitieren vom Ausbau bisher ungenutzter Flächen.
  • Leistungsfähige IT-Ausstattung im eigenen Haus. Lieferanten von Notebooks, Druckern und anderer IT-Ausstattung profitieren.
  • Nutzung von digitalen Konferenz-Systemen steigt.
  • Fahrten zum Arbeitsplatz entfallen. Die Bedeutung eines Autos sinkt. Der Öffentliche Nahverkehr wird entlastet.
  • Weniger Fernreisen. Internationale Konferenzen werden durch digitale Konferenzsysteme ersetzt. Umsätze von Airlines, Flugplätzen und Konferenzhotels gehen zurück.

Nicht alle werden weiterhin digital arbeiten und konferieren, jedoch ein großer Anteil. Der Druck, die Infrastruktur für digitales Arbeiten flächendeckend bereitzustellen, ist gewachsen. Die uns in der Not aufgezwungenen Ersatzlösungen werden wir perfektionieren Der digitale Ausbau wird beschleunigt.

Fazit:
Als Anleger können wir profitieren, wenn wir in Fonds und ETFs investieren, die diesen Wandel in der Arbeitswelt besonders berücksichtigen.

Gesundheitsversorgung wird ausgeweitet

Die Pandemie hat uns die Schwächen im Gesundheits-System aufgezeigt. Die Vorsorge wird verbessert, die Pflege gewinnt an Bedeutung, die Vorsorge gegen Massen-Erkrankungen wird erweitert. Die außergewöhnlich schnelle Entwicklung von Impfstoffen hat uns gezeigt, welche Chancen in „Digital Health“ stecken.

Fazit:
Als Anleger sollten wir mehr als bisher in die Gesundheitsbranche investieren, vor allem in „Digital Health“. Jedoch Vorsicht: dieser Bereich könnte derzeit überbewertet sein. Auf mittlere und lange Sicht stecken in diesem Bereich jedoch enorme Chancen.

ESG beherrscht die Anlagewelt

ESG: diese drei Buchstaben beherrschen seit langem die Gespräche, die Fondsmanager mit Unternehmen führen.

  • E steht für Environment, zu Deutsch: Umwelt.
    Wie umweltfreundlich, wie klimaschonend ist die Tätigkeit eines Unternehmens? Wie geht es mit knappen Ressourcen um? Inwieweit achtet es auf die Erhaltung der Artenvielfalt?
  • S steht für Social, zu Deutsch: Soziales.
    Wie behandelt das Unternehmen seine Mitarbeiter? Wie sorgt es für Sicherheit und Gesundheit? Wie verbessert es unsere Ernährung?
  • G steht für Government, zu Deutsch: Aufsichtsstrukturen.
    Wie sorgfältig unterbindet es Korruption? Wie zuverlässig arbeitet die interne Rechtsabteilung bei der Beaufsichtigung der Arbeitsprozesse? Wie geht es mit möglichen Risiken um?

Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon

Die größte Aufmerksamkeit erfahren wohl alle Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels.

In allen Unternehmensgesprächen wird mittlerweile eine lange Liste von Fragen abgearbeitet. Jeder Fondsmanager muss und will sich ein Bild verschaffen, ob das Unternehmen ESG-gerecht arbeitet oder nicht. Unternehmen, die durchfallen, werden de-investiert. Aktien von Unternehmen, die in diesem Bereich vorbildlich abschneiden, werden verstärkt gekauft. Dies führte in den letzten Monaten zu teilweise extremen Kursanstiegen: eine hohe Nachfrage nach Aktien von Unternehmen, die im Bereich Erneuerbare Energien tätig sind, trifft auf ein (noch) relativ kleines Marktsegment. Schon eine Umschichtung von wenigen Prozent Anlagekapital weg von der Erdölindustrie hin zu den Herstellern von Windkraftwerken (nur als Beispiel) führt zu einer deutlichen Kursbewegung im Zielmarkt.

Mit ESG ist eine Bewegung entstanden, die das Potential hat, den Fokus von Unternehmen rings um den Globus in Richtung Klimaschutz, Umweltschutz, faire Behandlung von Mitarbeitern und Reduzierung der Korruption zu lenken.

Fazit:
Als Anleger werden wir mittel- und langfristig gut fahren, wenn wir Fonds und ETFs bevorzugen, die bei der Auswahl ihrer Titel nachweislich strenge ESG-Kriterien beachten. Die Bewegung in diese Richtung ist schon stark, steht aber immer noch relativ nahe am Beginn. Sie hat noch viel Potential.

Walter Feil
Letzte Artikel von Walter Feil (Alle anzeigen)