Bis zur Mitte des Monats Oktober erhöhte sich die Bewertung der Aktienmärkte (in der folgenden Grafik dargestellt mit dem MSCI World, Bewertung in Euro) zunächst um einige Prozentpunkte. Dann wurden die Märkte mit dem Überfall der HAMAS auf Israel erschreckt. Dies alleine hatte wenig Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Größere Wirkung entstand durch den andauernden Anstieg des Zinsniveaus für langfristige Anleihen, insbesondere in den USA. (dazu später mehr). Von Mitte bis Ende Oktober verlor der Weltaktienindex 6 %.
Grafik: Entwicklung des Weltaktienindex von Januar 2023 bis 27.10.2023, Bewertung in Euro. Oktober gelb hervorgehoben.
Quelle: infront
Zinsniveau für langfristige Anleihen beeinflusst Nachfrage nach Aktien
Investoren rings um den Globus suchen stets Investments mit hohen Erträgen, und dies nach Möglichkeit mit einem ausgewogenen Mix von Aktien und Anleihen. In den letzten Jahren boten die Anleihe-Märkte keine attraktiven Zinserträge. Die Rendite von 10-jährigen Staatsanleihen der USA ging bis zur Jahresmitte 2020 kontinuierlich zurück bis zu einem Tiefpunkt von unter 0,65 % im Juli 2020. Viele Investoren erhöhten zwangsläufig ihren Anteil an Aktien, weil mit Anleihen nicht einmal mehr die Inflationsrate zu verdienen war.
Anfang 2022 drehte sich der Markt. Der Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen der USA erhöhte sich seitdem kontinuierlich bis zu einem aktuellem Stand von knapp unter 5 %. Das bedeutet: Investoren haben jetzt wieder die Möglichkeit, mit einem von den USA garantierten Investment zehn Jahre lang fast 5 % Zinsertrag, über die Laufzeit somit fast 50 % Rendite, zu erhalten, plus die Rückzahlung zu 100 % am Ende der Laufzeit.
Zeitgleich erhöhte sich die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen in Deutschland von Minus (!) 0,3 % auf mittlerweile nahe 3 %.
Der vielzitierte „Anlage-Notstand“ besteht nicht mehr. Investoren haben neben den Aktien wieder weitere Alternativen. Dies (nicht allein, aber auch) trägt zu einer verminderten Nachfrage nach Aktien bei. Die bis 2021 erlebte Rally der Aktienkurse ist zunächst einmal unterbrochen.
Grafik: Weltaktienindex – Entwicklung der letzten 10 Jahre bis 30.10.2023, Bewertung in Euro.
Die Rally stoppte Anfang 2022. Seitdem bewegt sich der Index mit Schwankungen tendenziell seitwärts.
Quelle: infront
Hohe Zinsen bremsen das Wirtschaftswachstum
Hohe Zinsen bremsen auch das Wirtschaftswachstum.
- Unternehmen investieren weniger, weil die Finanzierung teurer geworden ist.
- Verbraucher konsumieren weniger, aus dem gleichen Grund
- Unternehmensgewinne sinken, weil der Zinsaufwand steigt
Dies alles unterstützt durchaus die Ziele der Zentralbanken, die die Nachfrage bremsen wollen, um damit die Preissteigerung (Inflation) wieder zurückzubringen.
Die folgende Grafik zeigt, dass der Konsum in den G7-Ländern in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr so stark gestiegen ist wie in der Zeit bis zum Ausbruch von Corona. Der Kauf von Gütern („Goods“) stagnierte die letzten zwei Jahre, die Inanspruchnahme von Dienstleistungen („Services“) hat den Trend vor Corona nicht wieder erreicht.
Quelle: Capital Economics
Zentralbanken steuern die Leitzinsen – der Kapitalmarkt bestimmt die Langfrist-Zinsen
Wenn wir uns hier über „Zinsen“ unterhalten, sollten wir zwei Welten unterscheiden:
- Die Zinsen für kurzfristige Geldanlagen
Die „kurzen“ Zinsen (Tagesgeld, Festgeld, Termingeld, Geldmarktfonds- und -ETFs, …) folgen im Wesentlichen den Leitzinsen, die von de Notenbanken (Fed für die USA, EZB für die Eurozone) festgelegt werden. Damit können die Notenbanken diese Zinsentwicklung in engen Grenzen steuern. - Die Zinsen für langfristige Geldanlagen
Die „langen“ Zinsen werden von den Kapitalmärkten bestimmt. Das heißt: Die Höhe der Zinsen für eine z.B. 10-jährige Staatsanleihe steigt oder fällt so lange, bis Angebot und Nachfrage ausbalanciert sind. Braucht die US-Regierung sehr viel zusätzliches Geld, z.B. zur Finanzierung von Förderprogrammen, zur Aufrüstung ihrer Armee oder zur Deckung anderer Staatsausgaben, kann es sein, dass sie etwas mehr Zins bieten muss, um für dieses erhöhte Angebot an neuen Anleihen ausreichend Käufer zu finden. Derzeit ist außerdem zu beobachten, dass China seinen Bestand an US-Anleihen kontinuierlich abbaut, was zu einem zusätzlichen Angebot auf dem Kapitalmarkt führt.
Entwicklung der Inflationsraten beeinflusst die Entscheidungen der Zentralbanken
Das erklärte Ziel der Zentralbanken ist es, die Inflationsraten wieder auf einen Wert nahe 2 % (USA) bzw. auf 2 % (Eurozone) zu bringen. Wenn wir eine Vorstellung haben, wie sich die Inflationsraten in den nächsten Quartalen entwickeln werden, können wir daran unsere Erwartung zur Zinspolitik der Zentralbanken knüpfen.
Capital Economics (CE) ist davon überzeugt, dass die Headline Inflation (das ist die Inflationsrate unter Einschluss der Preisveränderungen bei Nahrungsmittel und Energie) in den kommenden Quartalen weiter zurückgehen wird. Für die Industrieländer („Developed Markets“) sieht CE die Inflationsrate bis Ende 2025 bei 3 %, für die Schwellenländer („Emerging Markets“) sogar noch etwas niedriger.
Quelle: Capital Ecominics
Bei der Core-Inflation (das sind die Preisveränderungen für einen Warenkorb ohne Nahrungsmittel und Energie) rechnet CE für die Eurozone und die USA bis Ende 2025 mit einem Rückgang auf etwa 2,5 %.
Quelle: Capital Economics
Die Notenbanken der USA und der Eurozone werden damit in der Lage sein, ihre Leitzinsen bis Ende 2025 wieder deutlich zu senken.
Über das CME Fed Watch Tool können wir tagesaktuell die Markterwartungen bezüglich der Leitzins-Entscheidungen der Fed einsehen. Hieraus ergibt sich per 30.10.2023:
- Die Leitzinsen der Fed bleiben bis zum Mai 2024 unverändert in dem aktuellen Band von 5,25 bis 5,50 %.
- In der Sitzung vom 12.6.2024 erfolgt eine erste Zinssenkung um 0,25 %.
- Darauf folgen 2024 zwei weitere Zinssenkungen, zuletzt am 18.12.2024 auf ein Band von 4,50 bis 4,75 %.
Die EZB wird die Leitzinsen für die Eurozone vermutlich etwas länger auf dem gegenwärtigen Stand belassen und erst Ende 2024 / Anfang 2025 mit Zinssenkungen beginnen.
Aktienmärkte reagieren positiv auf Zinssenkungen
Die Aktienmärkte reagieren in der Regel positiv auf Zinssenkungen. Unternehmen investieren wieder mehr, Konsumenten kaufen wieder mehr, die Zinskosten in Unternehmen sinken, die Gewinne steigen: jede dieser Entwicklungen ist positiv für die Aktienmärkte.
Empfehlung: Langfrist-Investoren bleiben investiert
Ich wiederhole heute die Empfehlung für alle, die ihre Aktieninvestments als Langfrist-Investiition betrachten: In Erwartung von sinkenden Leitzinsen bleiben wir investiert. Aktienmärkte reagieren in der Regel schon einige Monate vor dem Eintritt einer erwarteten Entwicklung. Ausgehend von dem jetzigen Bewertungs-Niveau der Aktienmärkte könnte sich eine positive Entwicklung schon einige Monate vor Beginn der Zinssenkungen einstellen.
Auf der Lauer: Kursgewinne bei Langfrist-Anleihen nutzen
Auch die Zinsen für langfristige Anleihen werden gemäß den Prognosen von CE wieder zurückgehen. Dies eröffnet uns eine zusätzliche Chance auf Kursgewinne, auf die wir jetzt schon lauern: Wenn sich das allgemeine Zinsniveau für langfristige Anleihen, z.B. mit einer Laufzeit von 10, 15, 20 oder sogar 25 Jahren, reduziert, entsteht daraus ein beträchtlicher Kursgewinn.
Schaubild: erwarteter Rückgang der 10-Jahres-Renditen bei Staatsanleihen bis Ende 2025
Das Schaubild ist etwas schwer zu lesen. Die wichtigsten Prognosen für uns sind:
- Die Rendite von 10-Jährigen Staatsanleihen der USA wird bis Ende 2025 um 80 Basispunkte (das sind 0,80 %) zurückgehen.
- Die Rendite von 10-Jährigen Staatsanleihen der BRD wird bis Ende 2025 um etwa 35 Basispunkte (das sind 0,35 %) zurückgehen.
Wenn diese Prognosen eintreffen, entsteht daraus die Chance auf einen Kursgewinn, wenn wir vor Beginn des Rückgangs in solche Anleihen – z.B. über einen ETF – investieren.
Zinserhöhung führt zu Kursverlusten – Zinsrückgang führt zu Kursgewinnen
Die Grafik zeigt die Kursentwicklung eines ETFs, der den Index für deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10,5 und mehr Jahren abbildet. In den Jahren 2023 und 2023 hatten wir einen starken Anstieg der Zinsen für diese Art von Anleihen. Dies führte zu einem beträchtlichen Kursverlust: von plus 19 % auf minus 27 % in zwei Jahren.
Quelle: infront
Wenn sich das Zinsniveau – vielleicht irgendwann im Jahr 2024 beginnend – wieder zurückbildet, wenn wir also einen Rückgang des Zinsniveaus erleben, dann werden diese Anleihen einen entsprechenden Kursgewinn produzieren.
Vorbereitungen sind getroffen
Ich habe unseren Versicherungspartner in Luxemburg gebeten, diese Art von ETFs zusätzlich in die Liste der wählbaren Investments aufzunehmen. Gerade heute erhielt ich die erweitere Liste für eine Allokation in solchen Langfrist-Anleihen.
Quelle: ERGO LIFE LUXEMBURG, Allokationsliste, Stand 30.10.2023
Jetzt brauchen wir noch etwas Geduld – und dann auch etwas Glück, den richtigen Einstieg in diese Art von Investment zu finden.
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