Die  Themen der letzten Wochen waren weiterhin die Entwicklungen im sogenannten Handelskrieg zwischen den USA und China und die Geldpolitik der Notenbanken in den USA (Fed) und Europa (EZB). Am 26.7. meldete CAIXIN, der tägliche Newsletter aus China mit Nachrichten über Politik- und Wirtschaft, eine neue Entwicklung: nächste Woche werden der US-Trade-Representative Robert Lightizer und der Treasury Steven Mnuchin nach Shanghai reisen, um dort die von Vice Premier Liu He geführte chinesische Delegation zu zweitägigen Verhandlungen zu treffen.

Beide Wirtschaftsräume – und darüber hinaus auch Europa und Japan – leiden mittlerweile unter den Restriktionen, die wie Sand im Getriebe der weltweit vernetzten Lieferketten wirken. Mal sehen, ob die hohe Politik Lösungen findet, die beiden Kontrahenten eine einigermaßen gesichtswahrende Lockerung der bisher aufgebauten Handelsbeschränkungen ermöglicht. Donald Trump braucht Erfolge, vor allem eine gut laufende US-Konjunktur im Wahljahr 2020. China möchte den Weg des Schuldenabbaus vor allem bei den Unternehmen und in den Provinzregierungen fortsetzen. Die Handelserschwernisse stören dabei gewaltig, weil an vielen Stellen Unterstützung durch gezielte Fördermaßnahmen (Ausweitung der Kreditvergabe, Vorziehen von Infrastruktur-Investitionen, punktuelle Steuersenkungen, …) notwendig sind. Diese Maßnahmen sind zwar in Gang gesetzt worden, stehen aber gegen das übergeordnete Ziel, das Kreditwachstum zu bremsen.

Die beiden großen Notenbanken (Fed für die USA, EZB für Europa) haben die letzten Wochen klare Signale gesendet, dass sie sowohl die Zinssätze senken werden als auch darüber nachdenken, bei Bedarf erneut eine zusätzliche Unterstützung zu leisten. Auch ein erneutes QE (Quantitative Easing – Ankauf von Anleihen und damit zusätzliche Liquidität für die Märkte) erscheint nicht ausgeschlossen. Eine geldpolitische Lockerung führt üblicherweise mit einer gewissen Verzögerung von etwa sechs Monaten zu einer Stimulierung der Wirtschaft.

Zinssenkungen führen zu Kursgewinnen bei Anleihen

Seit Monaten wiederhole ich an dieser Stelle die Warnung: Zins-Erhöhungen führen zu Kursverlusten bei Anleihen. Umgekehrt gilt: Zins-Senkungen führen zu Kursgewinnen bei Anleihen. Genau dies ist seit Jahresbeginn 2019 zu beobachten. Die Grafik zeigt die Entwicklungen der letzten zwölf Monate: Sowohl die Anleihen in der Eurozone als auch die Unternehmensanleihen weltweit lieferten seit Jahresbeginn erhebliche Kursgewinne.

  • Braune Linie: Weltaktienindex, in Euro bewertet, zum Vergleich
  • Dunkelblaue Linie: Anleihen der Eurozone, Investmentgrade (das bedeutet: nur Anleihen von Schuldnern mit guter Bonität)
  • Ockerfarbene Linie: Unternehmensanleihen weltweit
  • Lila Linie: Hochzinsanleihen weltweit (das bedeutet: Anleihen von Schuldnern minderer Bonität)

Quelle: vwd

Wenn die Notenbanken tatsächlich weitere Zinssenkungen in Gang setzen und darüber hinaus vielleicht sogar erneut beginnen, Anleihen aufzukaufen, kann sich diese Entwicklung noch einige Monate fortsetzen. 

Aktienmärkte zwischen Baum und Borke

Eine ähnlich klare Prognose wie bei den Anleihen ist für die Aktienmärkte nicht möglich. Dies zeigt sich auch in den Kommentaren und Stellungnahmen der meisten Volkswirte, die die wirtschftliche Entwicklungen beurteilen und der Analysten, die Prognosen zur Kursentwicklung von Aktien veröffentlichen. Die Beiträge werden länger und länger, aufgebläht durch Hinweise, was alles … an positiven … oder negativen Entwicklungen eintreten kann. Je nach persönlicher Stimmungslage können wir uns dann aussuchen, ob wir den Hinweisen auf die Gefahren und Risiken oder den erwähnten Chancen auf positive Entwicklung mehr Glauben schenken wollen.

Investoren sind verunsichert

Die großen (und auch die kleinen!) Investoren sind erheblich verunsichert. Das BlackRock Investment Institut stellte den Zusammenhang zwischen dem Grad der Verunsicherung und der Entwicklung der Aktienkurse in einer Grafik (siehe unten) dar.

  • Die gelbe Fläche im oberen Teil der Grafik
    zeigt die Entwicklung des Wirtschaftswachstums von Juli 2016 bis Juni 2019. Bis etwa Herbst 2018 wuchs die Weltwirtschaft mit einer soliden Wachstumsrate. Danach ging das Tempo des Wirtschaftswachstums zurück. (Bitte unterscheiden: Die Wirtschaft begann nicht zu schrumpfen, nur das Wachstumstempo verlangsamte sich!)
  • Die rötliche Fläche im unteren Teil der Grafik
    zeigt den Grad der Verunsicherung, den das BlackRock Investment Institut ermittelt hat. Eine erste große Welle der Verunsicherung kam im Frühjahr 2018, als – relativ kurzfristig – Zweifel am weiteren Wirtschaftswachstum in China aufkamen. Trotz einer weiterhin gleichmäßig und stark wachsenden Weltwirtschaft gingen die Aktienkurse blitzartig nach unten (siehe rote Linie).
  • Die Folgemonate
    ging die Verunsicherung der Investoren wieder etwas zurück. Die Aktienkurse begannen wieder ähnlich wie das Weltwirtschaftswachstum zu steigen, jedoch auf einem niedrigeren Niveau.
  • Ab Oktober 2018
    nahm die Verunsicherung der Investoren wieder zu: Die Aktienkurse begannen einen raschen Abstieg. Die Beschleunigung des Rückgangs im Dezember ist meiner Meinung nach auch auf die Abarbeitung von vollautomatisch ablaufenden Verkaufsprogrammen und durch gezieltes Short-Selling zurückzuführen. Auch Marktteilnehmer, die durch den raschen Rückgang extrem verunsichert wurden, haben in ihrer Panik den Rückgang beschleunigt.
  • Am 24. Dezember  2018
    war die Abverkaufswelle beendet. Investoren, die dann Anfang Januar 2019 wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten, nahmen die Chance wahr und kauften zu gedrückten Kursen. Bis Ende März hatte sich der heftige Einbruch der Kurse wieder ausgeglichen. Heute stehen viele Indizes auf oder nahe bei neuen Höchstständen.

Achten Sie besonders auf die Entwicklung der Weltwirtschaft: sie ging nicht zurück. Sie wuchs nur langsamer. Wir haben keine „Rezession“, wir wachsen nur langsamer. Die Aktienkurse wurden mehr von den Stimmungen der Marktteilnehmer, vor allem wegen deren Verunsicherung und Besorgnis über die weitere Entwicklung, beeinflusst.

Aktienmärkte weiterhin volatil seitwärts

Die Statsitik zeigt, dass die Sommermonate in den meisten Jahren eher unterdurchschnittliche Börsenmonate waren. Daraus folgt auch die vielzitierte Empfehlung: „Sell in May and go away!“

Die Aktienkurse sind  – siehe oben – vor allem von der Erwartungshaltung bezüglich der künftigen Gewinne der Unternehmen beeinflusst. Niedrige Zinsen unterstützen die Gewinnentwicklung von Unternehmen. Allerdings ist das Hauptproblem der meisten Unternehmen derzeit nicht die Zinslast, sondern die fehlende Zuversicht in die weitere Entwicklung der Wirtschaft. Es liegt somit schwerpunktmäßig in den Händen der Politik, die Rahmenbedingungen so zu steuern, dass wieder eine positive Erwartung bezüglich der künftigen Geschäftsentwicklung wachsen kann. Eine überzeugende Auflösung der Handelshemmnisse hätte deutlich positive Auswirkungen. Dazu kann jedoch derzeit keine zuverlässige Prognose erstellt werden. Somit bleibt die Erwartung für die Aktienmärkte für die nächsten Wochen genauso wie bisher: Aktienmärkte volatil seitwärts

Anleihemärkte mit positiven Vorzeichen

In den Anleihemärkten ist die Prognose etwas einfacher. Alle relevanten Notenbanken haben klare Signale gesandt, dass sie die Zinsen weiterhin niedrig halten wollen. Dies gilt auch für die langfristigen Anleihen. Hier verweise ich auchl auf meinen Vortrag, den ich anlässlich der „Seminare auf der Burg“ im Mai dieses Jahres hielt: Die Zinsen müssen noch lange tief bleiben, weil die Staaten (vor allem Italien) eine höhere Zinslast nicht bezahlen können. (hier der Link zum Vortrag)

Drei Möglichkeiten der Allokation für die kommenden Wochen

An meinen Empfehlungen, die eigene Allokation auf diese Verhältnisse einzustellen, hat sich nichts geändert. Ich verweise deswegen auf den Beitrag des Vormonats, der die drei Alternativen nennt und näher erläutert:

Alternative 1:
Schwankungen in Kauf nehmen in Erwartung einer langfristig positiven Entwicklung

Alternative 2:
Das Erreichte sicherstellen und für eine gewisse Zeit alle Schwankungen ausschließen

Alternative 3:
Einen Kompromiss wählen und mit einen verringerten Betrag investiert bleiben

Hier der Link mit zusätzlichen Erläuterungen der drei Alternativen. (zum Ende des Beitrags scrollen)

Walter Feil