Jüngst wurden Anleger in Immobilienfonds durch Meldungen aufgeschreckt, dass ein großer Projekt-Entwickler in Bayern für einige seiner Fondsgesellschaften Insolvenz angemeldet hat. Die Meldungen verwenden teilweise das Kürzel „PI“ als Bezeichnung für die betroffene „Project-Immobilien-Gruppe“. Vorab in Kürze: Diese Gruppe ist nicht identisch mit der Fondsgesellschaft „PI – Pro Investor“, die sich auf den Kauf und die Sanierung von bestehenden Wohngebäuden fokussiert ist.
Hier zunächst einmal eine der Meldungen aus dem Handelsblatt:
Quelle: Handelsblatt
Projektentwicklung ist ein risikoreiches Geschäft
Die Entwicklung von Immobilienprojekten ist – im Unterschied zum Investment in bestehende Miethäuser – ein Geschäftsmodell mit deutlich höheren Risiken. Einige der wesentlichen Risiken von Projektentwicklungen sind:
- Die Baukosten könnten höher sein als geplant
- Die Zeit bis zur Genehmigung könnte länger dauern als geplant
- Die Bauzeit könnte länger dauern als geplant
- Der Vermietung könnte schleppender vorangehen als geplant
- Der anfängliche Leerstand könnte höher sein als geplant
- Die erzielbare Miete könnte niedriger sein als geplant
Diese und noch einige Risiken mehr führen sämtlich dazu, dass die Zinsaufwendungen ab Beginn der Projektentwicklung bis zur Fertigstellung, der Vermietung und / oder dem Verkauf deutlich höher werden als kalkuliert. Wenn das Projekt dann noch in eine Zeit von Zinserhöhungen hineinläuft, ist eine Insolvenz häufig nicht mehr zu vermeiden. Mehr Informationen zur Insolvenz dieses Projektentwicklers finden Sie unschwer mit Suchbegriffen wie „Bayerische Project Immobilien insolvent“
Projektfinanzierung ist Risikokapital
Ich war die letzten dreißig Jahre schon mehrmals mit solchen Projektfinanzierungen befasst. Professionelle Investoren steigen hier ein, wenn sie eine angemessene Prämie für diese Art von Risiko-Investment erhalten. Die Rendite für derartige Investments liegt – wenn das Investment planmäßig verläuft – in der Regel fünf bis zehn Prozent höher als bei einem Investment in ausvermieteten Bestandsimmobilien. Das ist dann ein angemessener Renditepuffer für den Fall, dass mal ein Projekt in die Insolvenz fällt.
Jetzt ist das Risiko bei der Project-Immobilien-Gruppe tatsächlich eingetreten, leider nicht nur bei einem Fonds, sondern bereits bei mehreren.
Bestands-Immobilien sind kalkulierbarer
Die Fonds von ZBI, von Primus Valor und Pro Investor sind darauf fokussiert, bestehende Mehrfamilienhäuser mit Renovierungs- und Sanierungsbedarf zu kaufen, diese Immobilien nach dem Kauf auf einen für Mieter attraktiven Zustand zu bringen und den Gesamtbestand des Fonds nach einigen Jahren an große institutionelle Anleger zu verkaufen. Dies ist ein sehr solides Geschäftsmodell, das seit Jahren hervorragend funktioniert.
Die Kaufpreise der Mehrfamilienhäuser liegen deutlich unter den Gestehungskosten von Neubauten. Auch wenn man den Aufwand für Sanierung und Renovierung mit einrechnet, liegen die Gesamtgestehungskosten meist unter der Hälfte des Aufwandes für einen Neubau in vergleichbarer Lage. Dies führt zu großen Sicherheits-Reserven.
Die Mieterträge sind höher als bei Neubauten.
Die Mieterträge für sanierte Altbauwohnungen liegen – bezogen auf die Gestehungskosten des Investors – prozentual höher als bei Neubauten, obwohl sie absolut gesehen unter den für Neubauten üblichen qm-Mieten liegen. Auch beim späteren Verkauf kann ein Verkaufspreis deutlich unter den Gestehungskosten von Neubauten in vergleichbarer Lage angeboten werden. Vor allem aber: Die Mieteinnahmen fließen bereits ab dem ersten Tag nach Übergang von Nutzen und Lasten. Die Immobilien bestehen bereits. Die Wohnungen sind bereits vermietet (Ausnahme: Leerstand bis Abschluss der Sanierungsarbeiten). Die Mieteinnahmen sind ab dem ersten Tag höher als die Finanzierungskosten. Damit unterscheidet sich das Geschäftsmodell „Sanierung von bestehendem Wohnraum“ grundsätzlich von einer „Projektentwicklung“.
Verkaufspreise derzeit niedriger als gewünscht
Allerdings bestehen auch in diesem Geschäftsmodell Risiken. Derzeit liegt – um ein Beispiel zu nennen – der erzielbare Verkaufspreis von fertig sanierten Altbauten niedriger als dies bei Auflage der Fondsprospekte kalkuliert war. Dies liegt an der gewachsenen Konkurrenz, gegen den sich der Verkäufer von Wohnanlagen (somit der Fonds, der seinen Immobilienbestand verkaufen will) durchsetzen muss.
Die Konkurrenz ist in diesem Fall nicht ein Angebot von einem anderen Immobilienverkäufer, sondern die Alternativen, die einem institutionellen Investor für große Anlagesummen zur Verfügung stehen. Solche Investoren sind zum Beispiel Pensionskassen, die die Rentenzahlungen für Tausende von Pensionären sicherstellen müssen, oder Versicherungen und große Stiftungen. In den Zeiten der Niedrigzinsen (teilweise sogar Negativzinsen!) gab es für diese Investoren kaum Alternativen, ihr Vermögen rentabel anzulegen. In diesen Zeiten sprach man häufig von einem „Anlagenotstand“ bei institutionellen Anlegern. Mit Anleihen konnten sie die für sie notwendige Rendite nicht mehr erzielen. Sie wichen deswegen auf Immobilien aus und kauften große Pakete von fertig sanierten und voll vermieteten Wohnanlagen, mit denen eine Mietrendite von vier bis fünf Prozent (bezogen auf den Kaufpreis) zu erzielen war. Dies wurde branchenüblich mit „Kauf zum Faktor 20 bis 25“ benannt, womit man ausdrückte, dass der Investor einen Kaufpreis in Höhe des 20- bis 25-fachen der Jahresmiete zahlte, was dann zu einer Mietrendite von 4 bis 5 % führte.
Nach den deutlichen Zinserhöhungen der Notenbanken (in den USA die Fed, im Euroland die EZB) sind jedoch wieder gute Zinserträge am Kapitalmarkt erzielbar. Der vielzitierte „Anlagenotstand“ hat sich deutlich reduziert. Dies führt dazu, dass die erzielbaren Verkaufspreise für große Immobilienpakete derzeit niedriger sind als dies noch vor zwei Jahren der Fall war.
Das Zinsniveau wird wieder zurückgehen
Diese Marktsituation wird nicht unbeschränkt lange anhalten. Die Inflationsraten gehen jenseits und diesseits des Atlantiks bereits wieder zurück. Die Notenbanken werden das Zinsniveau wieder senken. Die Möglichkeiten für Großanleger, attraktive Erträge auf dem Kapitalmarkt zu erzielen, werden wieder geringer. Dies wird dazu führen, dass beim Verkauf von großen Immobilienpaketen wieder höhere Preise erzielt werden. Hier die Prognose von „Capital Economics“, dem unabhängigen Analysedienst für wirtschaftliche Entwicklungen, mit den Zinssätzen für 10-jährige Staatsanleihen bis Ende 2024.
Quelle: Capital Economics
Alle mir bekannten Immobilienfonds, die in diesem Geschäftsfeld tätig sind, stellen sich auf diese Situation ein, indem sie noch konsequenter als bisher bei jedem Mieterwechsel den damit entstehenden Leerstand für eine durchgreifende Sanierung der Wohnung nutzen. Der Aufwand für diese Wohnungs-Sanierungen lohnt sich auf jeden Fall.
- Für alle Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Energiebilanz führen, gibt es politisch gewollt Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen.
- Jede Maßnahme, die eine alte, abgewohnte Wohnung auf einen wieder attraktiven Stand nach heutigen Vorstellungen bringt, führt zu höheren Einnahmen bei der Wiedervermietung.
- Jede Maßnahme, die zu einer Reduzierung der Heizkosten führt, erhöht die Akzeptanz einer höheren Miete. Für den Mieter zählen unter dem Strich die Gesamtkosten: zahlt er weniger für die Heizung, erhöht sich sein Budget für die Kaltmiete.
Höhere Kaltmiete führt zu höherem Verkaufserlös
Das Wichtigste ist allerdings: Jeder Euro mehr Mieteinnahme pro Monat führt beim späteren Verkauf zu etwa 240 Euro mehr Verkaufserlös. Hier kommt wieder die weiter oben schon erläuterte Faktor-Rechnung zum Tragen. Großanleger berücksichtigen beim Kaufpreis für ein Miethaus natürlich auch die Jahresmiete und verhandeln darauf aufbauend den Kaufpreis als ein Vielfaches der aktuellen Jahresmiete. Das bedeutet: 1 Euro mehr Monatsmiete (somit 12 Euro mehr Jahresmiete) führt bei einem Faktor von 20 führt zu einem (Mehr-) Erlös von 240 Euro.
Mangel an Wohnraum wird von Jahr zu Jahr größer
Wir brauchen in Deutschland jährlich 400.000 neue Wohnungen. Tatsächlich gebaut werden aber deutlich weniger. Genauso wie wir vor zwei Jahren noch einen „Anlagenotstand“ bei großen Anlegern hatten, laufen wir immer tiefer in einen „Mietwohnungsnotstand“ hinein. Ich habe deswegen keine Bedenken, dass gut sanierte Wohnungen in bestehenden Wohnanlagen keine Mieter finden würden. Auch die Miethöhe folgt üblicherweise – mit Verzögerung – der allgemeinen Preissteigerung. Höhere Baukosten und weniger verfügbare Wohnungen führen zwangsläufig zu höheren Mieten. Und: jede Wohnung in einem sanierten Altbau kann deutlich günstiger vermietet werden als eine Neubauwohnung, die mit doppelten Kosten erstellt werden muss. Insofern leistet das Geschäftsmodell „Kauf und Sanierung von Altbauten“ auch einen Beitrag zu sozialverträglichen Mieten, auch wenn die Mieten in diesem Bereich auf Sicht höher sein werden als in der Vergangenheit.
Quelle: ThePioneerMedia
Webinar von Primus Valor erläutert die Marktsituation
Am besten wurden diese Zusammenhänge in einem Webinar von Primus Valor erläutert. Primus Valor hat alle Verkaufsverhandlungen zurückgestellt, bis – nach einem Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus – wieder ein Verkaufspreis gemäß den Vorstellungen von Primus Valor erzielbar ist. Gleichzeitig wurde die Intensität der Wohnungssanierungen hochgefahren. Dazu wird sinnvollerweise jeder Euro verwendet, der aus den laufenden Mieteinnahmen eingeht. Ich halte dies für eine sehr sinnvolle Maßnahme im Interesse aller Anleger. Der Wert des Immobilienbestandes wird damit erhöht, was zu einem guten Verkaufserlös im Rahmen der ursprünglichen Erwartungen führen wird, sobald das allgemeine Zinsniveau wieder gesunken ist und die traditionellen Käufer von Immobilienpaketen wieder mehr Interesse an Immobilien zeigen.
Gordon Grundler, der Vorstand der Primus Valor AG, erläuterte diese Zusammenhänge in einem Webinar, dessen Aufzeichnung (ich habe es per 22.08. nochmal geprüft) noch unter diesem Link angesehen werden kann.
Auflösungszeitpunkt von Fonds verschieben
Soweit Fonds ihre planmäßige Laufzeit in diesen Monaten erreicht haben, empfehle ich allen Anlegern, die in den Emissionsprospekten grundsätzlich offen gehaltene Möglichkeit, die Laufzeit eines solchen Fonds zu verlängern, zu nutzen. Per August 2023 ist nicht die richtige Zeit, Immobilienpakete zu verkaufen. Derzeit ist wieder Einkaufszeit, wie wir es in den Jahren etwa von 2015 bis 2020 erlebt haben. Die Marktverhältnisse werden sich wieder ändern. Das Pendel wird wieder zurückschwingen. Das Zinsniveau wird wieder zurückgehen. Dann wird für einen professionell sanierten Bestand an Mietwohnungen wieder ein höherer Verkaufspreis zu erzielen sein.
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