Wie Zeitung Die Welt am 27.08. berichtet, erwarten einige prominente Ökonomen einen 20-%-Crash in den Aktienmärkten. Die aufmerksamkeits-heischende Überschrift zeichnet jedoch ein falsches Bild. Wenn wir das Wort „Crash“ lesen, erscheint vor unserem geistigen Auge ein „Unfall“. Bei einem „Crash“ entsteht plötzlich, unvorhergesehen, in wenigen Augenblicken, ein gewaltiger Schaden. Übertragen auf die Börsen würde dies einen plötzlichen Zusammenbruch der Kurse bedeuten, dem niemand mehr entrinnen kann.

Wenn wir den Beitrag in voller Länge lesen, entsteht allerdings ein anderes Bild, nämlich das Bild eines Rückgangs der Bewertungen über einen gewissen Zeitraum.

KGV liegt über dem langfristigen Durchschnitt

Das KGV (Kurs/Gewinn-Verhältnis) der meisten Aktien, vor allem der Aktien in den USA,  liegt derzeit über dem langfristigen Durchschnitt. Mittel- und langfristig wird sich diese Überbewertung wieder abbauen. Die Ursachen für die derzeit hohe Bewertung von Aktien sind unter anderem:

  • Anleihen liefern keine auskömmlichen Renditen mehr
    Private und institutionelle Anleger finden auf den Anleihemarkt keine auskömmlichen Renditen mehr. Dies treibt viele Anleger, die unter normalen Marktbedingungen keine oder nur eine geringe Quote an Aktien halten würden, in den Aktienmarkt. Solange die Dividenden aus einem Aktienbestand deutlich höher sind als die Zinserträge von Anleihen, ist dies auch verständlich. Daraus entsteht aber auch schon die umgekehrte Vorhersage: wenn die Zinsen für Anleihen wieder steigen, werden traditionelle Anleihe-Anleger wieder einen höheren Bestand an Anleihen aufbauen und den Aktienbestand reduzieren. Es ist somit sehr aufmerksam zu beobachten, wie die sich die Renditen für Anleihen entwickeln.
  • Aktienrückkäufe treiben die Kurse nach oben
    Sowohl in den USA als auch in Europa investierten die Unternehmen in den letzten Jahren gigantische Summen, um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Per Januar dieses Jahres summierten sich die Aktienrückkäufe alleine in den USA seit 2009 bereits auf über 1.000 Milliarden USD.  (siehe auch FAZ vom Januar 2014) Diese Aktienrückkäufe wirken zweifach kurstreibend:
    1. Das Unternehmen verursacht selbst zusätzliche Nachfrage für seine eigenen Aktien. Das treibt die Kurse nach oben.
    2. Der Unternehmensgewinn wird künftig auf eine geringere Anzahl von Aktien verteilt. Das treibt den Gewinn pro Aktie nach oben und reduziert damit das KGV. Ein niedrigeres KGV suggeriert jedoch eine günstige Bewertung der Aktie und ruft damit neue Käufer auf den Plan.

Diese Aktienrückkäufe sind in einem Umfeld von extrem niedrigen Zinsen für die Unternehmen sehr vorteilhaft. Es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, zwei Prozent Zinsen für einen zusätzlichen Kredit  zu bezahlen und damit das Eigenkapital, auf das der Unternehmensgewinn zu verteilen ist, zu senken. Siemens (als Beispiel) will bis Ende 2015 für vier Milliarden Euro eigene Aktien zurückkaufen („vom Markt nehmen“). Die Finanzierung erfolgt zum größten Teil über neue Anleihen zu Dumping-Zinsen.

Höheres Risiko durch Aktienrückkäufe

Diese mit neuen Krediten oder Anleihen finanzierten Aktienrückkäufe führen mittel- und langfristig jedoch zu einem erhöhten Risiko. Wenn das Zinsniveau wieder steigt, erhöht dies die Zinsbelastungen der Unternehmen und reduziert damit den Gewinn. Dann entwickeln sich die Kurse rückwärts: weniger Gewinn führt zu einem erhöhten KGV und veranlasst die Investoren, die scheinbar überbewertete Aktie zu verkaufen. Diese Entwicklungen erfolgen jedoch nicht „Crash“- artig, sondern über einen längeren Zeitraum.

Geringere Gewinne durch höhere Zinskosten und höhere Löhne

Eine stärkere Auslastung der Unternehmen in den USA führt derzeit – durchaus gewünscht – zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote. Qualifizierte, gut ausgebildete Arbeitnehmer sind bereits sehr gesucht. Diese Entwicklung kann in den nächsten Monaten zu einer Erhöhung der Arbeitskosten, vor allem im Bereich der qualifizierten Arbeitnehmer, führen. Dies wiederum führt tendenziell zu fallenden Gewinnen. So kann eine bessere Auslastung der Unternehmen auch dazu führen, dass – zumindest für eine gewisse Zeit – die Aktienkurse zurückgehen. Die zitierten Ökonomen warnen davor, dass die Aktienkurse „um bis zu einem Drittel einbrechen“ könnten. Unabhängig von der Frage, ob diese Dimension erreicht wird, führen Lohnsteigerungen nicht zu einem plötzlichen Einbruch der Börsenkurse, sondern zu einem Rückgang über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Diese Entwicklung kann von einem aufmerksamen Anleger aufgefangen werden.

Billiges Geld führt zur Aufblähung der spekulativen Investments

An den Börsen finden wir zwei Arten von Marktteilnehmern:

Die langfristigen Investoren
Sie betrachten den Kauf einer Aktie als Beteiligung an einem Unternehmen und wollen über einen Kursgewinn langfristig von einer positiven Entwicklung dieses Unternehmens profitieren. Außerdem wollen sie über die Dividende ein laufendes Einkommen erzielen. Diese Investoren kaufen Aktien und halten sie langfristig in ihrem Bestand. Prominente Beispiele hierfür sind Warren Buffet und aus dem Fondsbereich Sir John Templeton als einer der bekanntesten Verfechter des klassischen Value-Investing.

Die kurzfristigen Spekulanten
In den letzten Jahren wurden Aktien in immer größerem Umfang zur kurzfristigen Spekulation gekauft.   „Die Welt“ weist darauf hin, dass die Wertpapierkredite im Juli dieses Jahres alleine an der Wall Street ein Volumen von 460 Milliarden USD erreicht haben. Diese Investments werden blitzschnell wieder aufgelöst, wenn sich das Risiko erhöht, wobei eine Zinserhöhung das Verhältnis von Chance zum Risiko von der Zinsseite her verschlechtern würde. Dies ist mit ein Grund, warum alle Investoren fortlaufend darüber diskutieren, wann die Fed wohl die Leitzinsen erhöhen wird.
Der Rückzug dieser spekulativen, über Kredit finanzierten Investments kann in der Tat zu einem sehr schnellen Kursrückgang führen, der – wenn er einmal begonnen hat – innerhalb weniger Stunden durch kaskadenartig aufeinanderfolgende Wellen von weiteren Verkaufsorders verstärkt wird. Dafür sorgen schon alleine die vorgemerkten Stoploss-Orders, die computergesteuert vollautomatisch abgearbeitet werden. Dies verursacht bei Überschreiten der jeweils nächsten Stoploss-Marke immer wieder neue Verkaufswellen. Diese Entwicklungen münden meist in eine technische Gegenreaktion, in der sich die überzogenen Kursrückgänge teilweise wieder ausgleichen.

Pauschalempfehlung breite Streuung hilft nur bedingt

Die zitierten Ökonomen, alle drei als Nobelpreisträger ausgezeichnet, empfehlen eine breite Risikostreuung der Anlagen. Abgesehen davon, dass wir als Anleger nicht „das Risiko“ streuen möchten, sondern vielmehr unser Investments so aufteilen wollen, dass das Gesamtrisiko möglichst gering bleibt, führt dieses Rat in der Praxis der Kapitalanlage heute immer weniger zum gewünschten Risikoausgleich. Die Korrelation der verschiedenen Assetklassen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere tragen die Anleihemärkte heute nicht mehr so stark wie früher zu einem Ausgleich des Gesamtrisikos bei.

Große Anlagesummen im RiskOn – RiskOff – Modus

Die großen Investoren, insbesondere die spekulativ arbeitenden Kurzfrist-Investoren, die ihre Anlagemittel zu einem großen Teil über billige Kredite in Yen, USD und jetzt auch Euro finanzieren, schalten blitzschnell von „kaufen“ auf „verkaufen“ und wieder zurück. Im Branchenjargon sprechen wir von „RiskOn“, wenn diese Investoren kaufen oder „RiskOff“, wenn sie ihre Investmentsummen (also ihr „Risiko“) verringern wollen. Diese Markteinflüsse sind nicht mehr mit den traditionellen fundamental begründeten Überlegungen vorherzusehen.

Außerdem ändern diese Investoren auch schnell die Richtung ihrer Spekulation. Eine Woche setzen sie auf steigende Kurse (sie gehen „long“), die nächste Woche vielleicht schon wieder – mit dem gleichen Kapitaleinsatz – auf fallende Kurse (sie gehen „short“). Welcher Kapitaleinsatz dahinter stehen kann, zeigt sich – siehe oben – an den aktuell 460 Milliarden USD Kreditvolumen, das alleine an der NYSE (New York Stock Exchange = Börse in New York / Wall Street) offen steht.

Aufteilung des Gesamtinvestments auf unterschiedliche Risikobudgets

Eine breite Streuung der Investments auf unterschiedliche Märkte alleine kann vor diesem Hintergrund zu verlustreichen Überraschungen führen. Statt alleine nur auf eine breite Streuung zu setzen, empfehle ich als grundsätzliche Maßnahme, das Investmentbudget zunächst einmal in Teilsummen aufzuteilen, die sodann gemäß der jeweils verbleibenden Restanlagedauer zu gestalten sind

  • Ein Teil für den kurzfristigen Bedarf (Restanlagedauer etwa drei Jahre)
  • Ein Teil für den mittelfristigen Bereich (Restanlagedauer etwa fünf Jahre oder länger)
  • Ein Teil für den langfristigen Bereich (Restanlagedauer etwa acht Jahre oder länger)

Dann sollte jede dieser drei Teilsummen auf mehrere Bausteine verteilt angelegt werden unter Berücksichtigung des für die jeweilige Restanlagedauer zulässigen Risikobudgets.

Diesem Grundsatz folgen zum Beispiel die drei 3ik-Strategiefonds, die zusammen das „Dreigeteilte Investmentkonzept“ bilden. Damit kann ein Anleger, der sich selbst nicht laufend um die Investmentmärkte kümmern will, sehr bequem eine zu ihm passende Aufteilung der Anlagesummen und damit zu einer „Streuung des Risikos“, wenn man schon mit dieser Definition hantieren will. (siehe das Dreigeteilte Investmentkonzept)

Laufende Beobachtung und kurzfristiges Handeln kann vor Verlusten schützen

Wer sich selbst um die Aufteilung seiner Anlagesummen kümmern möchte, kann die Hinweise und Anlage-Ideen auf dieser Webseite als Inspiration für seine eigenen Entscheidungen nutzen. Dies erfordert allerdings, sich selbst laufend um die Beobachtung der Märkte zu kümmern und eine negative Entwicklung rechtzeitig und entschlossen zu stoppen. (siehe Musterdepot AAB-agressiv)

 

Walter Feil