Die Entwicklung der Renten- und Anlagemärkte wird von Christian Heger, dem Chief Investment Officer der HSBC Global Asset Management Deutschland GmbH, durchaus unterschiedlich beurteilt. Wie Heger am Donnerstagabend in einem kleinen Kreis von Vermögensverwaltern ausführte, erwartet er in den Industrieländern für die kommenden Monate eine bessere Entwicklung als in den Emerging Markets. Im Einzelnen:
Indien: strukturelle Probleme bremsen das Wachstum
Im Kreis der BRIC-Staaten leidet Indien unter den massivsten strukturellen Problemen. Das bereits chronische Leistungsbilanzdefizit ist die letzten 12 Monate noch gewachsen. Die Preissteigerung beim Öl verteuert die Importe und erhöht damit das Leistungsbilanzdefizit. Vor dem Hintergrund der niedrigen Guthabenzinsen von 2 – 3 % und einer deutlich höheren Inflationsrate steigt die Neigung der indischen Bevölkerung, Gold als Vermögensanlage zu kaufen. Dies verstärkt den Kapitalabfluss ins Ausland in einer Zeit, da Indien immer schwerer ausländische Anleger findet, die den notwendigen Kapitalimport finanzieren.
Auch zeigt sich, dass eine demokratisch zu wählende Regierung nicht nur Vorteile bringt. Im Vorfeld der Anfang 2014 stattfindenden Wahl werden dringend notwendige Struktur-Reformen unterlassen und darüber hinaus die potentielle Wählerschaft mit weiteren Subventionen (Treibstoff, Landwirtschaft) umworben. Beides erhöht das Haushaltsdefizit.
Indien leidet damit unter einem Doppel-Defizit (Leistungsbilanz negativ und Haushalt defizitär). Das Land braucht vor allem eine beherzte Umsetzung von strukturellen Reformen, was sicherlich nicht vor den nächsten Wahlen angegangen wird.
Brasilien: Erholung wird Jahre dauern
Der Konsumboom, der Brasilien einige Jahre zurück zu einem beispiellosen Höhenflug geführt hat, ist vorbei. Gleichzeitig ging der Ölpreis zurück, und die Exporte von Rohstoffen sanken vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abschwächung in China. Die Politik des Landes hat die letzten vier Jahre versäumt, die Wachstumskräfte zu stützen. Stichworte hierzu sind die Förderung von Bildung und Ausbildung, der zügige Ausbau der Infrastruktur und die Reduzierung der Korruption. Der CIO der HSBC sieht das Risiko einer Rezession und erwartet, dass eine Erholung einige Jahre dauern könnte.
Russland: schwaches Wachstum, aber geringe Staatsverschuldung
Auch in Russland hat sich das Wachstum abgeschwächt. Das Land hat allerdings nur geringe Schulden. Eine ernsthafte Krise wird nicht erwartet.
China: gewollte Reduzierung des Wachstumstempos
Auch in China liegt das Wachstum heute unter den gewohnten Werten früherer Jahre. Im Gegensatz zu den anderen BRIC-Staaten ist diese Wachstums-Abschwächung jedoch gewollt. Sie wurde absichtlich und planmäßig herbeigeführt. China möchte die bisher übermäßigen Investitionen in Immobilien und Infrastrukturprojekte reduzieren und das künftige Wachstum mehr auf den inländischen Konsum stützen. Damit soll das Kreditwachstum gebremst und die Fehlallokation von Ressourcen in wenig sinnvolle oder zumindest überdimensionierte Infrastrukturprojekte vermieden werden.
Die Inflationsrate liegt bei unter 3 %, was sehr viel Handlungsspielraum lässt. Das Lohnwachstum liegt jedoch weiterhin bei 10 – 15 % jährlich, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt, wenn die Produktivität nicht in gleichem Maße zunimmt.
Die HSBC beobachtet China mit positiven Erwartungen. Ein großes Feld ist – wie auch in anderen BRIC-Staaten – die beherzte Bekämpfung der Korruption.
EM-Anleihen: gute Chance auf Rendite mit überschaubarem Risiko
Fast alle Staaten aus dem Bereich der „Emerging Markets“ begeben auch Anleihen in USD. Diese Anleihen weisen somit für den USD-Anleger kein Währungs-Risiko aus. Der Euro-Anleger kann sich gegen den USD absichern. Die Zinsen liegen derzeit deutlich über den Zinserträgen von USD- und von Euro-Anleihen, wobei 80 % dieser Anleihen ein Investmentgrade-Rating aufweisen. Damit sieht der HSBC-CIO in diesem Markt eine gute Gelegenheit, die durchschnittlichen Erträge eines Anleiheportfolios mit überschaubarem Risiko zu erhöhen.
USA: Wachstum wie auf Schienen
Schon seit geraumer Zeit ist in den USA ein stabiles Wachstum nahe bei 2 % zu beobachten. Die Steuereinnahmen steigen, das Haushaltsdefizit sinkt, das Leistungsbilanzdefizit reduziert sich mit zunehmender Produktion der heimischen Energiequellen (Fracking) weiter. Jedoch stagnieren die Löhne, so dass der Konsum nur eine zurückhaltende Steigerung zu Lasten der Sparquote erfährt. Langsam steigen jedoch auch die Investitionen.
Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Grund mehr, dass die Fed weiterhin so viel Geld druckt wie bisher. Die Zinsen am langen Ende sind bereits gestiegen und die HSBC erwartet weiterhin einen moderaten Anstieg der langen Zinsen. Die kurzfristigen Zinsen werden von der Fed weiterhin niedrig gehalten.
Japan: die neue Wachstumslokomotive
Die Regierung Abe hat ein Konjunkturförderungsprogramm mit einem weiterhin künstlich niedrig gehaltenen Zins und gigantischen Liquiditätsinjektionen in Gang gesetzt. In Zusammenhang mit der extremen Abwertung des Yen unterstützt dies die Exporte und führt zu schnell steigenden Gewinnen von Unternehmen mit einem hohen Exportanteil. Die Löhne steigen jedoch (noch) nicht und es droht die Gefahr einer ungewollten Inflation. Das Haushaltsdefizit liegt weiterhin bei extremen 10 %, die Leistungsbilanz weist jedoch einen leichten Überschuss aus. Der CIO der HSBC erwartet für 2013 und 2014 weiteres Wachstum. Danach wird es sich zeigen, ob das „japanische Experiment“ zu einer nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen Position Japans führt.
Japan beabsichtigt, die Zinsen weiterhin sehr tief zu halten.
Eurozone: punktueller Fortschritt
In der Eurozone arbeiten sich einige Länder aus der Krise heraus. Spanien ist ein positives Beispiel, Italien dagegen hat jüngst den zunächst begonnenen Reformprozess wieder gestoppt. In Frankreich setzt sich die negative Tendenz weiter fort. Die die Lohnstückkosten steigen weiter, jedoch lässt man die großen Firmen, die ihr firmeneigenes Reformprogramm umsetzen, gewähren. Deutschland ist und bleibt das Zugpferd in Europa mit weiterhin stabilen Exporten, die so breit gestreut sind, dass Umsatzrückgänge in einzelnen Zielgebieten den Gesamtexport nur wenig beeinträchtigen. Nach der Wahl am 22. September wird sich Europa auf die dann geltende (neue?) Realität gemäß dem Wahlergebnis einstellen müssen.
Die EZB wird die Zinsen weiterhin tief halten. Bisher schon gekaufte Anleihen von Krisenstaaten müssen teilweise abgeschrieben werden.
Allgemein: die Markterwartungen sind in der Regel in den Kursen eingepreist.
Der aktuelle Aktienkurs mag deswegen nicht immer die tagesaktuelle Wachstumsdynamik eines Landes oder einer Region widerspiegeln. Weiterhin gute Chancen auf eine Erholung sieht der Referent in Europa und auf längere Sicht in einigen Ländern aus der Gruppe der EM, vor allem in China.
Hinweis: Bitte beachten Sie: diese Zusammenfassung eines mehr als einstündigen Vortrages + Diskussion mag Irrtümer und Auslassungen beinhalten. Es ist auf jeden Fall nur eine Meinung, auch gefärbt und interpretiert durch den Verfasser dieser Zusammenfassung. Es ist keinesfalls eine Garantie über das Eintreten einer bestimmten Entwicklung.
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