AIA-Verfahren

Versicherungen in Liechtenstein und Luxemburg: Was tun, wenn das Finanzamt nachfragt?

Information

Viele unserer Kunden haben in den vergangenen Jahren Lebensversicherungsverträge bei Versicherungsunternehmen in Liechtenstein und Luxemburg abgeschlossen – entweder zur langfristigen Vermögensanlage, zur Altersvorsorge oder zur Nachlassplanung. Nun melden sich immer häufiger die deutschen Wohnsitzfinanzämter und fordern Erläuterungen an.

Der Grund ist ein automatischer Informationsaustausch (AIA), der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ins Leben gerufen und 2016 auch in der EU eingeführt wurde. Mit dem AIA-Verfahren werden Informationen über Konten und Versicherungen, die deutsche Steuerbürger im Ausland unterhalten, automatisch an das deutsche Finanzamt weitergeleitet. Anfang 2024 hatten sich bereits über 100 Staaten verpflichtet, Informationen gemäß dem AIA-Verfahren auszutauschen.

Mit diesem Verfahren soll verhindert werden, dass Anleger im Ausland Konten eröffnen und die damit erzielten Erträge vor dem Finanzamt ihres jeweiligen Heimatlandes verstecken können.

Sie erinnern sich vielleicht an die politische Diskussion vor Einführung der Abgeltungsteuer. Seinerzeit argumentierte der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: „Besser 25 % von X als 42 Prozent von nix“. Dieses Argument, die Steuer auf Kapitalerträge auf pauschal 25 % festzulegen, würde heute nicht mehr ziehen, weil mittlerweile das AIA-Verfahren eingeführt wurde. Damit erhalten die Finanzämter aller angeschlossenen Staaten automatisch Informationen über Vermögensanlagen ihrer „Kunden“ im Ausland.

 

In diesem Beitrag erfahren Sie:

    • Über welchen Weg Ihr Finanzamt die Informationen erhält
    • Warum das Finanzamt bei Ihnen nachfragt
    • Welche Erläuterungen Sie dem Finanzamt übermitteln sollten

 

Für den eiligen Leser vorab eine Zusammenfassung:

Die Erträge und der Wertzuwachs, den Sie mit Ihrer Lebensversicherung in FL oder LU erzielen, sind steuerfrei. Deswegen sind in der Steuererklärung auch keine Erträge zu deklarieren. Ihr Finanzamt kann das aber nicht wissen, weil mit dem AIA-Verfahren keine Einzelheiten zu Ihrer Vermögensanlage im Ausland übermittelt wird.

Warum fragt das Finanzamt bei Ihnen nach?

Wenn Sie als deutscher Steuerbürger eine Lebensversicherung in Liechtenstein oder Luxemburg besitzen, läuft der Informationsaustausch so:

    • Ihre Versicherungsgesellschaft in FL oder LU meldet jedes Jahr Daten über Ihre Police an die dortige Finanzbehörde.
    • Diese leitet die Daten weiter an das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn.
    • Von dort aus gehen die Daten an das für Sie zuständige Wohnsitzfinanzamt.

Der erste Datenaustausch begann 2017 für das Steuerjahr 2016 – und findet seither jährlich statt.

Was wird gemeldet?

Übermittelt werden z. B.:

    • Ihr Name, Ihre Adresse und Ihre Steuernummer
    • Die Vertragsnummer und der Rückkaufswert der Police zum Jahresende
    • Einzahlungen, Auszahlungen und ggf. erzielte Erträge
    • Der Name der Versicherungsgesellschaft

Es geht also nicht um eine willkürliche Kontrolle, sondern um einen standardisierten Datenfluss, der alle Bürger betrifft, die Vermögenswerte im Ausland halten.

Typische Folge: Ein Brief vom Finanzamt

Wenn das Finanzamt über den automatischen Informationsaustausch darüber informiert wird, dass Sie eine Vermögensanlage im Ausland unterhalten, fragte es bei Ihnen nach, ob und wie sie die Erträge daraus angegeben haben. Diese Anfragen gingen bisher bevorzugt an Steuerbürger, die höhere Summen im Ausland angelegt haben. Vermutlich werden in den kommenden Jahren, je nach Verfügbarkeit von Personal in den Finanzämtern, auch Anfragen an VN mit kleineren Anlagesummen folgen.

Die Formulierungen sind unterschiedlich, meist freundlich mit der Bitte um Erläuterungen. Ich habe jedoch auch schon Schreiben gesehen, die weniger freundlich und in einem vorwurfsvollen Ton gehalten waren.

Im Kern geht es stets um die Klärung des steuerlichen Sachverhalts:

    • Seit wann besteht diese Vermögensanlage im Ausland?
    • Wurden die Erträge hieraus in der Steuererklärung angegeben?

Klären Sie Ihr Finanzamt auf

Ihr Finanzamt kann nicht wissen, dass Ihre Vermögensanlage in Liechtenstein oder Luxemburg im Rechtsrahmen einer steuerbegünstigten Versicherung erfolgt und deswegen steuerfrei ist. Klären Sie Ihr Finanzamt auf, dass Ihre Vermögensanlagen nicht auf einem banküblichen Depot liegen, bei dem sämtliche Erträge und auch Veräußerungsgewinne sofort steuerpflichtig wären, sondern im Rechtsrahmen einer Versicherung, in der sämtliche Erträge und Veräußerungsgewinne steuerfrei bleiben. Sie hatten somit bisher gar keine Veranlassung, steuerpflichtige Erträge in Ihrer Steuererklärung anzugeben, ganz einfach, weil keine steuerpflichtigen Erträge vorliegen.

Unterscheiden Sie zwei Sachverhalte abhängig vom Abschlussdatum der Versicherung

Die Vorschriften zur steuerlichen Behandlung von Vermögensanlagen im Rechtsrahmen einer Versicherung wurden zum 1.1.2005 geändert. Sie müssen deswegen zunächst einmal prüfen, wann Ihr Vertrag abgeschlossen wurde.

Altverträge mit Abschluss vor dem 1.1.2005

Für Verträge mit Abschlussdatum vor dem 1.1.2005 (sogenannte „Altverträge“ mit Abschluss bis spätestens 31.12.2004) gilt:

    1. Erträge, die mit dieser Vermögensanlage entstehen (Zinserträge, Dividenden, Veräußerungsgewinne bei Umschichtungen), bleiben grundsätzlich über die gesamte Laufzeit steuerfrei.
    2. Entnahmen (Teilauszahlungen, Vertragsauflösung) während der ersten zwölf Jahre der Vertragslaufzeit führen zu steuerpflichtigen Erträgen. Diese zwölf Jahre waren für diese Altverträge spätestens mit Ablauf des Jahres 2016 erreicht.
    3. Entnahmen (Teilauszahlungen, Vertragsauflösung) nach Ablauf von 12 Jahren sind bei diesen Altverträgen ebenfalls steuerfrei. 

Wenn Sie einen solchen Altvertrag unterhalten, könnten Sie auf eine Anfrage Ihres Finanzamtes wie folgt antworten:

Muster einer Erläuterung für Ihr Finanzamt bei Altverträgen

„Ich habe bei dem Versicherungsunternehmen (Bezeichnung des Unternehmens) in FL eine fondsgebundene Lebensversicherung mit der Vertragsnummer (Nummer angeben) abgeschlossen.

Es handelt sich hier um eine Lebensversicherung, die alle Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gemäß § 20 EStG in der bis Ende 2004 gültigen Fassung erfüllt. Abschluss des Vertrages war am (Datum angeben). Der Vertrag unterliegt somit dem alten steuerlichen Recht für Versicherungen.

Aus dem Versicherungsvermögen wurden bisher keine Auszahlungen beantragt.

Die Erträge, die in diesem Versicherungsvertrag entstehen, sind nicht steuerpflichtig. Deswegen waren bisher auch keine steuerpflichtigen Erträge anzugeben. Auch eine spätere Auszahlung ist gemäß den Bestimmungen für solche Altverträge nach einer zurückgelegten Laufzeit von mindestens 12 Jahren steuerfrei. Somit werden auch künftig keine steuerpflichtigen Erträge zu erklären sein.“

Neuverträge mit Abschluss nach dem 31.12.2004

Für Verträge mit Abschlussdatum nach dem 31.12.2004 (sogenannte „Neuverträge“ mit Abschluss ab Januar 2005) gilt:

    1. Erträge, die mit dieser Vermögensanlage entstehen (Zinserträge, Dividenden, Veräußerungsgewinne bei Umschichtungen), bleiben grundsätzlich über die gesamte Laufzeit steuerfrei. Der Vermögenszuwachs im Vertrag wird nicht besteuert.
    2. Die Auszahlung des Versicherungsvermögens im Versicherungsfall ist ebenfalls steuerfrei. Als Versicherungsfall bezeichnet man die Fälligkeit des Vertrags vor planmäßigem Ende der Versicherungslaufzeit, ausgelöst durch den Tod der versicherten Person.
    3. Steuerpflicht entsteht bei diesen Neuverträgen jedoch, wenn während der Vertragslaufzeit Teilkündigungen (= Entnahmen) vorgenommen werden oder wenn der Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit vorzeitig aufgelöst wird. Hierbei sind zwei Sachverhalte zu unterscheiden:
      1. Teilkündigungen (= Entnahmen) während der ersten zwölf Jahre seit Abschluss des Vertrages oder vor Erreichen des 62. Lebensjahres des Versicherungsnehmers, häufig kurz auch „vor 12/62“ bezeichnet.
      2. Teilkündigungen (= Entnahmen) nach Ablauf der ersten zwölf Jahre seit Vertragsabschluss und nach Erreichen des 62. Lebensjahres des Versicherungsnehmers, häufig auch als „nach 12/62“ bezeichnet.

In beiden Fällen ist der Unterschiedsbetrag zu ermitteln. Dies ist die Differenz zwischen dem aktuellen Wert des Versicherungsvermögens und der Summe der bis dorthin geleisteten Beitragszahlungen, vereinfacht meist als Gewinn bezeichnet. Bei Teilauszahlungen ist der jeweilige Auszahlungsbetrag aufzuteilen in den anteilig mit dieser Auszahlung realisierten Unterschiedsbetrag und dem in der Auszahlung anteilig enthaltenen Teil der selbst erbrachten Beitragszahlung.

Für beide Fälle gilt für den so ermittelten Unterschiedsbetrag zunächst pauschal ein Freibetrag von 15 %. Damit verbleiben nur noch 85 % des Unterschiedsbetrages als Bemessungsgrundlage für die Steuerermittlung.

Bei „vor 12/62“ sind diese 85 % des (anteiligen) Unterschiedsbetrages der Abgeltungsteuer (25 % plus SZ + ggfls. KiSt) zu unterwerfen. Die Erträge, die das Versicherungsvermögen weiterhin im Vertrag erwirtschaftet, wachsen auch künftig steuerfrei an. Anders formuliert: steuerpflichtig ist nicht der im Vertrag entstehende Gewinn, wie dies bei einem Investmentvermögen auf einem Bankdepot der Fall wäre, sondern nur der mit einer Entnahme realisierte anteilige Unterschiedsbetrag.

Bei „nach 12/62“ werden diese 85 % des Unterschiedsbetrages vor der Steuerermittlung noch einmal um 50 % reduziert, was auch häufig als „Halbeinkünfteverfahren“ bezeichnet wird. Die verbleibenden 50 % von 85 %, somit 42,5 % des Unterschiedsbetrages, sind in der persönlichen Einkommensteuererklärung in der Einkunftsart „Erträge aus Kapitalvermögen“ anzugeben und erhöhen damit den Gesamtbetrag der Einkünfte. Auch hier gilt: die Erträge, die das im Vertrag verbleibende Versicherungsvermögen weiterhin erwirtschaftet, bleiben auch weiterhin steuerfrei.

Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, bei jeder Teilauszahlung eine Mitteilung zu senden, wie hoch der in der Auszahlung anteilig enthaltene Unterschiedsbetrag ist.

Wenn Sie einen solchen Altvertrag unterhalten, könnten Sie auf die Anfrage des Finanzamtes etwa wie folgt antworten:

Muster einer Erläuterung für Ihr Finanzamt bei Neuverträgen

„Ich habe bei dem Versicherungsunternehmen (Bezeichnung des Unternehmens) in (FL oder LU) eine fondsgebundene Lebensversicherung mit der Vertragsnummer (Nummer angeben) abgeschlossen.

Es handelt sich hier um eine Lebensversicherung, die alle Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gemäß § 20 Absatz 1 Nummer 6 EStG in der ab 2005 gültigen Fassung erfüllt. Das Bundesministerium der Finanzen hat hierzu mit dem BMF-Schreiben vom 1.10.2009 mit dem GZ V C 1 – S 2252/07/0001 auf 37 Seiten genaue Erläuterungen veröffentlicht. Der Vertrag entspricht diesen Vorgaben.

Abschluss des Vertrages war am (Datum angeben).

Aus dem Versicherungsvermögen wurden bisher keine Auszahlungen beantragt.

Die Erträge, die in diesem Versicherungsvertrag entstehen, sind nicht steuerpflichtig. Deswegen waren bisher auch keine steuerpflichtigen Erträge anzugeben.

Auch in den kommenden Jahren werden die Erträge, die in diesem Vertrag entstehen, nicht steuerpflichtig sein. Somit werden auch künftig keine steuerpflichtigen Erträge zu erklären sein, es sei denn, ich würde den Vertrag kündigen oder teilkündigen. In diesem Fall werde ich den damit realisierten anteiligen Unterschiedsbetrag erklären.“

Mit diesen Erläuterungen schließen Sie die Informationslücke, die eine automatisierte Mitteilung gemäß dem AIA-Verfahren bei Ihrem Finanzamt hinterlässt.